MHP Riesen Ludwigsburg Ende einer Ära: Wagner hört als Capo der Barock Pirates auf

Von Michael Nachreiner
Als Einpeitscher der Barock Pirates gab Jannik Wagner in den vergangenen knapp zehn Jahren am Megafon den Ton im Fanblock der MHP Riesen Ludwigsburg an. Foto: Sport-Px/Sascha Walther

Der Mann für die Stimmung im Fanblock der MHP Riesen Ludwigsburg legt nach rund zehn Jahren das Megafon zur Seite. Die Entscheidung „tat weh“.

Der zehnte Geburtstag der Barock Pirates, der mit einer Choreografie beim Heimspiel der MHP Riesen Ludwigsburg gegen die MLP Academics Heidelberg gefeiert worden war, war Jannik Wagner noch mal ein Anliegen. Denn der Großsachsenheimer hat fast die komplette Geschichte des Fanklubs des Basketball-Bundesligisten aus der Barockstadt mitgestaltet, zunächst an der Trommel, dann als Capo, also als Vorsänger oder Einpeitscher im Fanblock.

Seit Kurzem Vorstandsmitglied

Im vergangenen Jahr hatte sich Wagner extra noch in den Vorstand des Riesen-Fanklubs wählen lassen – mit der Aufgabe, die Choreografie vorzubereiten. „Das ist noch mal ein großes Event, danach kann man einen sauberen Schlussstrich drunter ziehen“, erklärt der 27-Jährige. Denn das Heimspiel der Riesen gegen Heidelberg war sein letzter Einsatz als Capo. „Für mich als Person hätte es fast nicht besser werden können. Das hat sich im Laufe der Saison herauskristallisiert. Mit diesen Erinnerungen wollte ich aufhören“, erzählt Wagner und ergänzt: „Die Aufgabe frisst unheimlich viel Zeit. Außerdem muss man dafür brennen. Doch ich habe es immer mehr vernachlässigt, weil ich auf der Arbeit viel zu tun hatte oder Freundschaften gepflegt werden wollten.“

Denn die Aufgabe des Capos war nicht nur dadurch abgehandelt, dass man zum Spiel in den Fanblock geht, das Megafon in die Hand nimmt und für Stimmung sorgt. „Ich muss als Vorbild vorangehen und am Anfang da sein, um auch den Leuten zu signalisieren: Kommt so früh wie möglich in die Arena. In der Anfangszeit war ich sogar schon eine halbe Stunde vor Hallenöffnung da, weil ich beim Aufbau geholfen hatte. Zuletzt war ich mindestens eine Stunde vor Spielbeginn in der Arena“, berichtet Wagner.

Ausgleich zum Beruf

Der 27-Jährige hat aber die Zeit immer gern investiert. „Für mich war das ein Hobby und ein Ausgleich zum Beruf. Im Fanblock konnte ich noch mal ein bisschen die Sau rauslassen“, erklärt Wagner, der in Bietigheim-Bissingen als Immobilienmakler arbeitet. Vor allem die Bundesligaspiele waren immer gesetzt. „Ich habe Urlaub teilweise drum herum geplant oder auf Auswärtsspiele gelegt, zu denen ich nicht gefahren bin“, erzählt der Großsachsenheimer. „In der Champions League habe ich mir ab und zu allerdings frei genommen. Da ist die Kulisse nicht so groß und damit das Anpeitschen nicht ganz so wichtig.“

Mit dem Megafon gab Wagner im Fanblock und damit in der Arena „den Ton an. Den Trommlern habe ich signalisiert, was getrommelt wird – ob etwas Offensives oder was Defensives gemacht wird. Und wenn ich gemerkt habe, dass die Atmosphäre abflacht, habe ich den Leuten noch mal eingeheizt“, berichtet er. Das war aber nicht immer einfach in der MHP-Arena. „Wir haben relativ wenig Zuschauer, die regelmäßig kommen. Andere Standorte verkaufen deutlich mehr Dauerkarten. Und wenn ich immer wieder eine neue neutrale Person in der Halle sitzen habe, muss die erst einmal realisieren, was passiert: Was wird getrommelt, was wird gesungen, bevor sie mitmachen kann“, erklärt der 27-Jährige. „Deshalb war die Aufgabe da oben, den Fanblock so gut wie möglich mitzureißen.“

Wagner blieb dabei immer er selbst. „Ich bin sowieso kein introvertierter Mensch“, sagt der Großsachsenheimer, fügt aber hinzu: „Ich selbst musste immer gute Laune haben. Wenn wir 20 Punkte hinten lagen, durfte ich das nicht den Zuschauern signalisieren. Und wenn wir mit 30 Zählern vorne waren, musste ich auch immer noch voll motiviert sein.“

Support ist alternativlos

Denn Ausbuhen oder ein Stimmungsboykott sei kontraproduktiv. „Manchmal standen wir da und haben den Kopf geschüttelt – zum Beispiel in der vergangenen Saison, als die Riesen gegen Limoges mit dem letzten Wurf aus der Champions League ausgeschieden sind. Man muss dann der Mannschaft zwar klar signalisieren, dass es so nicht funktioniert, wie es läuft. Aber am Ende muss man immer positiv bleiben. Und die Zuschauer müssen einen Hallo-wach-Kick setzen. Denn wir versuchen ja, das Team anzutreiben“, erzählt Wagner. „Und die Spieler bekommen mehr mit aus dem Fanblock, als man denkt.“

Ein Abschied für die Ewigkeit wird es für ihn aber nicht werden. „Ich habe seit meiner Geburt etwas mit Basketball zu tun – erst über meinen Vater, dann habe ich selbst gespielt, und dann die Zeit bei den Barock Pirates“, erklärt der 27-Jährige. „Ich werde versuchen, so viele Spiele wie möglich zu besuchen. Denn es ist weiterhin eine Herzensangelegenheit. Ganz sein lassen werde ich es nicht können. Was nächste Saison bringt, werden wir aber sehen, ob ich mir eine Dauerkarte hole. Denn ich werde mein Privatleben etwas mehr ausschmücken.“

Rücken die Riesen Ludwigsburg die Kräfteverhältnisse wieder zurecht?

Neun Mal in den ersten neun Duellen mit den Veolia Towers Hamburg sind die MHP Riesen Ludwigsburger als Sieger vom Parkett gegangen. Die Serie ist erst im Jubiläumsspiel in der Hinrunde gerissen, als die Hanseaten im zehnten Aufeinandertreffen beider Mannschaften einen 87:79-Sieg in der Barockstadt holten. Für die Riesen heißt es an diesem Samstag (18.30 Uhr/Dyn) an der Elbe also, die alten Kräfteverhältnisse wieder zurechtzurücken.

Für beide Teams hat das direkte Duell eine große Bedeutung. Die Ludwigsburger kämpfen im Endspurt der Bundesliga-Hauptrunde um die direkte Playoff-Qualifikation, die Towers Hamburg um die Verteidigung ihres Pre-Playoff-Platzes. Die Riesen sind mit 17 Siegen und elf Niederlagen auf Platz sieben punktgleich mit den Telekom Baskets Bonn, müssen den Rheinländern nur aufgrund des verlorenen Hinspiels aktuell noch den letzten Playoff-Platz überlassen. Und auch der Fünfte Ratiopharm Ulm (19 Siege/neun Niederlagen) und der Vierte Würzburg Baskets (20 Siege/acht Niederlagen) sind noch in Reichweite. Allerdings sitzt den Ludwigsburgern auch Rasta Vechta (17 Siege/elf Niederlagen) auf Rang acht im Nacken. Die Hamburger stehen derzeit mit 13 Siegen und 15 Niederlagen auf dem letzten Pre-Playoff-Platz zehn, spüren aber den Atem von den Bamberg Baskets und den Basketball Löwen Braunschweig (jeweils zwölf Siege/16 Niederlagen) im Nacken.

2020 im Corona-Finalturnier waren Jonas Wohlfarth-Bottermann und Ariel Hukporti in der Münchner Bubble noch ein kongeniales Duo auf der Center-Position bei den Riesen. Damals entlastete der 18 Jahre alte Center der Ludwigsburger U19-Mannschaft mit togolesischen Wurzeln den Starter Wohlfarth-Bottermann für rund elf Minuten. Zusammen feierten sie den größten Vereinserfolg der Barockstädter: die Vizemeisterschaft. Nun treffen sie in Hamburg als Kontrahenten aufeinander, nachdem Hukporti nach zwei Jahren in Australien zurückgekehrt ist. Der gefährlichere Center bei den Hamburgern ist aber Aleksander Dziewa. Der Pole erzielt im Schnitt 12,7 Punkte, Wohlfarth-Bottermann 6,0.

 
 
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