Kinderdarsteller im Musical Tarzan aus Löchgau Kleiner Tarzan kommt aus dem Kreis

Von Jennifer Stahl
Linus Büchel aus Löchgau spielt den kleinen Tarzan im Stuttgarter SI-Centrum, sein erstes Casting fand im Januar 2023 statt. Die Haare bekommt er von zwei Maskenbildern zu Schnecken gedreht, bevor das Mikrofon und schließlich die Perücke befestigt werden. Foto: Jennifer Stahl

Linus Büchel singt und tanzt sich in die Herzen der Zuschauer: Der Zehnjährige steht seit November auf der Bühne des Palladiums im Stuttgarter SI-Centrum.

Es donnert und blitzt, ein Schiff geht unter. Ein junges Paar kann sich und sein neugeborenes Kind gerade so retten, im afrikanischen Dschungel finden sie in einem selbst gebauten Baumhaus Schutz. Doch dann passiert Schreckliches: Eine Leopardin tötet Mutter und Vater, das Baby bleibt unentdeckt. Bald schon wird es von einer Affenmutter namens Kala gefunden, erst vor kurzem hat sie ihren einzigen Sohn an die Leopardin verloren. Kala adoptiert den Menschenjungen – ganz zum Unwille vom Silberrücken Kerchak, dem Anführer der Gruppe – und sie tauft ihn auf den Namen „Tarzan“.

In der nächsten Szene umarmt Kala den heranwachsenden Tarzan, gemeinsam tanzen und singen sie. Auch mit Tarzans bestem Freund Terk begibt sich der Menschenjunge auf Abenteuer. Er tollt herum, übt den legendären Tarzan-Schrei und möchte Kerchak beweisen, dass er keine Gefahr für die Gorillas darstellt. Und doch kommen ihm zum ersten Mal Zweifel, denn er sieht doch so anders aus, als die Tiere, mit denen er aufgewachsen ist.

Kleiner Tarzan kommt aus Löchgau

Die Bühnenpräsenz des kleinen Darstellers ist mitreisend, das Publikum fühlt mit bei der berühmten Geschichte. „Meine Mutter ist auf die Anzeige im Internet gestoßen und hat mich gefragt, ob ich am Casting teilnehmen möchte. Da habe ich dann direkt Ja gesagt“, erzählt der zehnjährige Linus Büchel aus Löchgau. Er ist es, den man knapp zwei Stunden später als kleinen Tarzan auf der Bühne spielen sieht.

Kinderdarsteller für das Disney Musical auf der Bühne des Palladium Theater im Stuttgarter SI-Centrum werden nach wie vor gesucht, erklärt Saskia Rohner, Senior Manager Communications bei der PR-Agentur Convensis. „Aktuell verkörpern zwischen zehn und 14 Jungen den kleinen Tarzan. Man braucht immer mehrere Kinderdarsteller, da jeder von ihnen nur 30 Tage im Jahr auftreten darf.“ Ab acht Jahren dürfen sich junge Talente, die Lust auf Schauspiel, Tanz und Gesang haben, bewerben. Zudem dürfen die Jungen maximal 1,38 Metern groß sein.

Aber zurück zum Star des Abends: Linus scheint nicht besonders nervös zu sein, an diesem Tag steht schon seine zwölfte Show an. Backstage beim Frisieren plaudert er mit den Maskenbildern über den Donnerstagmorgen in der Schule, dort hilft er sogar mit, das Haarnetz zu befestigen.

Aufwärmen und einsingen

Auch beim Aufwärmen schaut man einem geübten kleinen Tarzan zu, wie er Räder schlägt, versucht, sich an die Affengruppe anzupassen und sich mithilfe eines Dirigenten einsingt. Gemeinsam mit Terks Darsteller Elindo Avastia übt Linus einen Ausschnitt aus dem Lied „Du brauchst einen Freund“.

„Zwei Castings macht man als Kinderdarsteller mit“, erklärt Linus im Gespräch mit der BZ. Dabei werden Gesang, Tanz und Schauspieltalent auf die Probe gestellt, auch andere Kompetenzen sollen unter Beweis gestellt werden. „Ich habe zum Beispiel Räder geschlagen. Das Lied, das ich beim ersten Casting im Januar singen sollte, war ‚Warum, Wieso?’“, erinnert er sich. Von Anfang an habe er Spaß am Spielen gehabt, die größte Herausforderung sei gewesen, ein dreiseitiges Lied auswendig zu lernen.

Kinderdarsteller werden vorbereitet

Nach der ersten Castingrunde werden die Kinder, soweit sie weiterkommen, in einem dreimonatigen Trainingsprogramm auf die nächste Runde vorbereitet. Dann wird entschieden, ob sie das Zeug dazu haben, als kleiner Tarzan auf der Bühne zu stehen. Laut seiner Mutter Karin Büchel habe Linus die Chance einfach nutzen und etwas Neues ausprobieren wollen. „Dass er so viel Spaß dabei haben und auch wirklich ausgewählt werden würde, das konnte niemand so richtig ahnen“, sagt sie.

Über drei bis vier Monate hinweg werden die ausgewählten Kinder schließlich intensiv auf die Bühne vorbereitet, teilweise wird dreimal die Woche trainiert. Schon immer habe Linus gerne gesungen und geturnt, Gesangsunterricht habe er aber nie genommen. „Dass die Kinder Tanz-, Akrobatik-, und Gesangsunterricht bekommen und auf alles im Theater vorbereitet werden, das finde ich wirklich toll“, sagt seine Mutter. Zuhause habe Linus beim Lernen der Texte stets von seinen Eltern Hilfe bekommen. Zwei Monate vor der Premiere am 16. November 2023 kamen dann die erwachsenen Darsteller dazu, „da geht es dann in die heiße Phase“, sagt Saskia Rohner. Immer nur ein kleiner Tarzan habe mit den Erwachsenen gespielt, die anderen durften zugucken. Wichtig hierbei sei gewesen, dass sich alle kennenlernen.

Bestimmte Haarlänge ist wichtig

Normalerweise kommt Linus am Tag einer Show circa eineinhalb Stunden vor Beginn ins Theater. Dann schmeißt er sich in einen grünen Bademantel und bekommt die Haare zu vielen kleinen Schnecken gedreht. Diese müssen für die Rolle übrigens eine gewisse Länge haben, damit sie so gewickelt werden können. Anschließend wird das Mikrofon am Hinterkopf befestigt und Haarnetze aufgesetzt, die Perücke und das Mikrofon müssen schließlich während der Show fest sitzen.

Nach dem Warm-Up, bei dem sich Linus mit seinen Betreuern aufwärmt, sich mithilfe eines Dirigenten einsingt und teilweise mit anderen Darstellern Szenen durchspielt, wird der Körper mit bunten Dschungelfarben versehen. „Die Darsteller müssen übrigens ab einem gewissen Zeitpunkt immer die Treppe nehmen“, verrät die PR-Managerin. Das sei wichtig, um der Gefahr aus dem Weg zu gehen, dass ein Darsteller kurz vor der Show im Aufzug stecken bleibt.

Anfahrtszeit unter einer Stunde

Kinderdarsteller sollten weiterhin nicht länger als eine Stunde Anfahrtszeit haben. Wird diese Grenze deutlich überschritten, setzt sich das Theater mit den Eltern in Verbindung um zu erfragen, ob sie das auf sich nehmen möchten. Karin Büchel erklärt, dass für die Proben teilweise Fahrgemeinschaften gebildet wurden. „Anfangs hätten wir nicht gedacht, dass das alles so umfangreich wird. Das muss man wirklich wollen.“ Zu Linus’ Highlights als kleiner Tarzan zählt: „Das erste Mal richtig fliegen.“ An einer Liane schwingt der Zehnjährige während der Show immer wieder mit Terks Hilfe hin und her, in einer späteren Szene schwebt er alleine auf einer Holzkiste sitzend langsam nach unten. „Anfangs hatte ich schon etwas Höhenangst“, gibt Linus zu, „da gewöhnt man sich aber mit der Zeit dran.“

Am meisten gefällt dem jungen Tarzan das Gemeinschaftsgefühl. „Es kann nicht klappen, wenn sich nicht alle Darsteller gut verstehen“, ist er sich sicher. Dieses Gefühl hat man auch als Zuschauer: Die Darsteller harmonieren miteinander und geben eine spektakuläre Show ab. Immer wieder schwingen Affen über den Köpfen des Publikums hin und her, wie im Bann verfolgt man das Musical über einen Menschen, der anders und doch so gleich ist und auf seinem Weg die große Liebe findet. Und mittendrin ist ein Junge aus Löchgau, der auf der großen Bühne tanzt und singt und Teil einer Geschichte ist, die einfach ans Herz geht.

 
 
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