Bietigheim-Bissingen „Synergieeffekte der Kulturen nutzen“

Von Yannik Schuster
Kerem Erdogan will in den Gemeinderat. Foto: /Martin Kalb

Die neue Liste BAT will zur politischen Teilhabe von Bürgern mit Migrationshintergrund beitragen.

Bei der Kommunalwahl am 9. Juni wird eine neue Liste auf den Wahlbögen zu finden sein: Die Bürgerliste Aktive Teilhabe (BAT). Doch wer steckt eigentlich hinter der Wählervereinigung und welche Ziele verfolgt die Liste?

An der Spitze der neuen Liste steht Kerem Erdogan – nicht verwandt oder verschwägert mit dem türkischen Präsidenten, wie er betont. Im Alter von fünf Jahren kam Erdogan nach Deutschland, wuchs in Duisburg auf. Seit elf Jahren lebt der Business-Analyst und Projektleiter in Baden-Württemberg, seit fünf in Bietigheim-Bissingen.

In Gesprächen mit nicht-deutschstämmigen Mitbürgern habe er festgestellt, dass viele mit dem Kopf noch immer in der Heimat verwurzelt seien. „Wir verpassen Gelegenheiten.“ Für die Idee einer neuen Liste für die Kommunalwahl habe er viel Zuspruch erhalten, und weitaus weniger Widerstand als befürchtet, so Erdogan. Auf diese Weise sei es einfacher gewählt zu werden, als auf der Liste einer bestehenden Partei, sagt er.

Keine Scheuklappen

Die BAT schickt am 9. Juni ausschließlich türkischstämmige Kandidaten ins Rennen. Das sei jedoch dem Zufall geschuldet. Die Anmeldung der Liste sei eine kurzfristige Aktion gewesen, die finale Einreichung erfolgte 13 Minuten vor Fristende. Zeit für strategische Überlegungen, ob etwa Kandidaten anderer Herkunft neue Zielgruppen ansprechen könnten, habe man keine gehabt. Jeder habe seine Bekannten überzeugt, erklärt Erdogan. „Das heißt aber nicht, dass wir nicht wissen, wie Andersstämmige denken.“ Viele Probleme betreffen alle, Scheuklappen wolle man keine aufsetzen, sagt er.

Einmal pro Monat will der Familienvater Gespräche mit der „Community“ führen, aktuelle Themen besprechen und so neue Blickwinkel in den Gemeinderat tragen. Die „Blackbox“ der Politik will Erdogan transparenter machen, die politische Teilhabe von Bürgern mit Migrationshintergrund fördern. „Die Jugend muss verstehen, dass sie Teil dieser Gesellschaft ist und dass man auch etwas bewegen kann.“ Förderprogramme für die Jugend und politische Bildung spielen daher eine zentrale Rolle in seinen Vorstellungen. Er beobachte nicht nur eine Politikverdrossenheit sondern gar ein weit verbreitetes Desinteresse, das es zu ändern gelte.

Politik ist Neuland

Erdogan ist selbst Neuling in der Politik, muss sich in einige Bereiche erst einfinden. Sein Ziel dabei: Als Bevölkerungsgruppe sichtbarer zu werden. Die politischen Gremien müssten die tatsächliche Vielfalt der Stadt widerspiegeln.

Viele Bürger hätten keinen oder kaum Kontakt zu Andersstämmigen. Erdogan stellt sich einen Tisch der Religionen vor oder ein Kulturfest, bei dem Künstler verschiedener Länder eingeladen werden, um für mehr Interaktion zwischen Deutsch- und Andersstämmigen zu sorgen. „Bei mir im Job würde man sagen: ‚Die Synergieeffekte der verschiedenen Kulturen nutzen.’“ In diesem Zuge hält Erdogan auch eine Partnerstadt in der Türkei oder einem anderen östlichen Land für erstrebenswert.

Man müsse die Sensibilität der Menschen und den gegenseitigen Respekt – „auch das Gelebte, nicht nur das Gesagte“ – stärken. So erlebe man beispielsweise immer wieder Diskriminierung bei der Wohnungssuche.

Der 50-Jährige will sich für freies W-Lan in der Stadt einsetzen und ist Verfechter einer autofreien Innenstadt. Seine klimapolitischen Überzeugungen würden dabei seinem Glauben entspringen. „Wir sind ein Teil dieser Welt, nicht ihr Zenit.“ Wert legt er daher auf das städtische Ziel zur Klimaneutralität bis 2035.

Schon jetzt ist laut Erdogan klar: Eine einmalige Geschichte soll die Liste auf keinen Fall bleiben. Yannik Schuster

 
 
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